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Meine Erinnerungen an Otto Hahn




Quelle: Von Nobel Foundation


Otto Hahn und das Wieso, Warum, Weshalb 1946 in Alswede.


Am 3. Januar 1946 stand ich mit Herrn Martin Albersmeyer gegen 20.00 Uhr oder auch etwas später, ich erinnere mich nicht mehr genau, vor dem Manufakturwarengeschäft seiner Eltern und wir warteten auf die Ankunft von Otto Hahn. Wie es damals allgemein bei der Bevölkerung hieß, den Erfinder der Atombombe. Es waren auch noch andere Einwohner von Alswede zugegen, an die ich mich aber nur schwach erinnere. Ich war damals noch keine 10 Jahre alt. Was war geschehen hier im Dörfchen Alswede? Große Aufregung herrschte, als das Manufakturwarengeschäft Albersmeyer von der englischen Besatzungsmacht beschlagnahmt wurde. In aller Eile musste der Laden und die Wohnräume geräumt werden und die Familie Albersmeyer zog in das naheliegende Kolonialwarengeschäft Albersmeyer. Die beiden Senioren waren Brüder.
Wer außer Otto Hahn hier noch einziehen würde, war den Alswedern nicht bekannt. Es war nur von Otto Hahn die Rede. Das es außerdem noch weitere führende Forscher und Wissenschaftler des Uranprojektes waren, wurde erst später bekannt. Es waren neben Otto Hahn noch Werner Heisenberg, Max von Laue, Carl Friedrich von Weizäcker, Erich Rudolf Bagge, Kurt Diebner, Walther Gerlach, Paul Harteck, Horst Korsching und Karl Wirtz.
Die 10 deutschen Atomwissenschaftler verließen am 3. Januar 1946 den alten englischen Landsitz Farm Hall bei Godmanchester und kehrten heim. Sie flogen von Huntingdon nach Bückeburg, von dort wurden sie mit einem englischen Militärbus hier nach Alswede gebracht. Es gab noch andere Aufregungen hier im Dorf. Es mussten Hilfskräfte für die Küche und für die Bedienung der Gäste besorgt werden. Viele Dinge die sich damals in Alswede abspielten, ob politischer oder gesellschaftlicher Art, wurden in der hier im Dorf ansässigen Gärtnerei diskutiert, besprochen und beschlossen. In dieser Gärtnerei arbeitete meine Mutter. Wie es zustande gekommen ist, weiß ich nicht, aber plötzlich gehörte meine Mutter zum Bedienungspersonal. Eines Abends kam sie nach Hause und brachte ein Paar Fingerhandschuhe mit. Sie sagte mir, diese Handschuhe gehören Otto Hahn, und er hat mich gebeten, ob ich die Handschuhe wohl für ihn stopfen könnte. Am anderen Tag brachte sie, für diese kleine geleistete Arbeit, eine Apfelsine mit, die sie von Otto Hahn bekommen hatte. Für mich war das die erste Apfelsine an die ich mich erinnere. Zu meinem Bedauern musste ich sie dann mit meinem Freund teilen. Eine weitere Erinnerung ist, wenn wir morgens zur Schule kamen, war an manchen Tagen unsere Tafel nicht mehr vorhanden. Sie befand sich dann in der Unterkunft der Wissenschaftler. Die älteren Schüler mussten dann die Tafel holen und brachten regelmäßig Kreide für uns mit. Da gab es in der Schule keinen Kreidemangel mehr.
Bei meinen weiteren Recherchen zu diesen Erinnerungen kam immer wieder die Frage auf, vor allem bei der jüngeren Generation, wie kamen diese bedeutenden Wissenschaftler ausgerechnet hier nach Alswede. Es wurde viel spekuliert und es mag Unterlagen in Archiven geben, mir ist aber nichts bekannt. Naheliegend ist die Tatsache, dass Lübbecke damals Sitz der britischen Kontrollkommission war. Ich habe auch gelesen dass die Alliierten nicht gewillt waren, die Wissenschaftler sofort nach Göttingen zu entlassen, da das zu nahe an der sowjetischen Zonengrenze lag. In Lübbecke selbst waren alle repräsentativen Geschäfts-, Wohnhäuser und auch Schulen und Verwaltungsgebäude bereits gleich nach Krieg 1945 von der englischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Ich erinnere mich, das Lübbecker Bürger damals auch hier in Alswede untergebracht waren. Das Haus Albersmeyer war wohl noch das einzige brauchbare Gebäude in der Gegend für diesen Zweck.

Otto Hahn schreibt in seinen Erinnerungen an Alswede:
Wir landeten auf deutschem Boden und fuhren von dort nach Alswede weiter. In diesem kleinen Ort mit 500 Einwohnern war ein Manufakturwarenhaus für uns frei gemacht worden. Das Haus 1938 erbaut, war in gutem Zustand. Jeder bekam ein eigenes Zimmer mit Zentralheizung, allerdings ohne fließendes Wasser. Das Mobiliar bestand aus je einem eisernen Bettgestell und einem Stuhl, sonst gab es nichts, weder Radio noch Bücher. Die Beleuchtung war recht dürftig, so dass ich abends meine Kerzen aus England anbrennen musste. Mit Hilfe eines Treppenläufers machte ich mit mein Zimmer aber ganz gemütlich und beschaffte eine Wasserkanne und einen Eimer.
Herr Albersmeyer, der Eigentümer, hatte sein Haus mit seinem Sohn ganz kurzfristig räumen müssen, wusste aber, dass wir daran keine Schuld hatten. Er war uns freundlich gesonnen und half uns, wo er nur konnte. Auch er hatte von meinem Nobelpreis erfahren und war der Meinung, dass wir die Atombombengeheimnisse an die Alliierten verraten hätten" Es gab aber wohl noch einen Grund für den Aufenthaltsort Alswede. Das nördlich von Alswede, hinter dem Mittellandkanal, liegende Schloß Benkhausen war ebenfalls von den Engländer beschlagnahmt, es galt als Hauptquartier. Um Benkhausen von Lübbecke zu erreichen, mussten die Engländer hier am Haus Albersmeyer vorbei; denn die Benkhäuser Kanalbrücke war gesprengt und lag noch im Kanal. Es wäre also eine ständige Überwachung möglich gewesen. Tatsächlich konnten sich die Wissenschaftler aber in Alswede frei bewegen. Es hat englische Begleitung bei Spaziergängen gegeben, aber dabei soll es sich um Gespräche der Zukunft gehandelt haben. Otto Hahn und Werner Heisenberg gingen bereits am 13. Februar 1946 nach Göttingen, Carl Friedrich v. Weizäcker am 12. März. Die anderen Herren gingen dann nach und nach.
Die Erinnerung an Otto Hahn in Alswede war auch in der Vergangenheit immer mal wieder ein Thema. Bei der Gebietsreform 1973 kam das Dorf zur Stadt Lübbecke und somit wurden auch in Alswede Straßennamen eingeführt. Ein Stück der alten Dorfstraße wurde Otto-Hahn-Weg genannt. Diesen Weg muss er immer bei seinen Spaziergängen genommen haben. Der ehemalige Lehrer in Alswede, Kurt Rathert, hat in einem Fernsehinterview von seiner Begegnung und späteren Freundschaft mit Otto Hahn berichtet. Beim Dorfplatz „Schlag 10", mit Herrn Blaschke vom WDR Studio Bielefeld, habe ich im Textilhaus Albersmeyer, über diese Thema berichtet. Auch bei „Radio Westfalica" gab es einen Bericht. Die heimischen Zeitungen haben wiederholt bei besonderen Anlässen über Otto Hahn in Alswede berichtet.

Nachtrag zu diesen Erinnerungen!
Die Erinnerung an die Ereignisse aus dem Jahr 1946 und Otto Hahn waren im Laufe der Jahre fast in Vergessenheit geraten. Ältere Einwohner in Alswede erinnerten sich zwar, aber Einzelheiten waren verblasst. Im Jahre 2005 kamen Alsweder Bürger zu dem Entschluss eine Dorfgemeinschaft zu gründen. Es wurde eine Liste erstellt, was diese Dorfgemeinschaft wohl für Ziele haben könnte. Da mich die Otto Hahn Begebenheit in unserem Dorf immer beschäftigt hatte, machte ich den Vorschlag, eine Erinnerungstafel zu installieren. Dieser Vorschlag wurde akzeptiert und durchgeführt. Am 29. August 2009 wurde die Erinnerungstafel unter großer Beteiligung der Alsweder Bevölkerung vorm Textilhaus Albersmeyer eingeweiht. Ein Dank gilt hier Frau Droste und Herrn Hüffman vom Lübbecker Stadtarchiv, die uns beim Text für diese Tafel sehr behilflich waren.

Der Text auf der Tafel lautet:
Otto Hahn (1879-1968) arbeitete nach Chemiestudium und Promotion im In- und Ausland in der radiochemischen Forschung, wobei ihm 1938 erstmals die Spaltung des Uran-Kerns durch Neutronen gelang. Damit war der Grundstein zur technischen Nutzung der Kernenergie und zur Herstellung von Atomwaffen gelegt. Für Letzteres machte Hahn, der für seine Forschungen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, sich Zeit seines Lebens Vorwürfe, besonders nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. 1945 stellten die Alliierten Hahn und weitere führende Wissenschaftler - unter ihnen die beiden Nobelpreisträger Werner Heisenberg und Max von Laue sowie Carl Friedrich von Weizsäcker - in Farmhall, England, unter Arrest. Am 3. Januar 1946 wurden die Wissenschaftler, neben den Genannten auch Erich Rudolf Bagge, Kurt Diebner, Walther Gerlach, Paul Hartek, Horst Korsching und Karl Wirtz, unter britischer Militäraufsicht vorübergehend im Textilkaufhaus Heinrich Albersmeyer in Alswede interniert. Alswede war gewählt worden, weil es in unmittelbarer Nähe der damaligen Kreisstadt Lübbecke liegt, wo die britische Kontrollkommission nach Kriegsende ihren Hauptverwaltungssitz bezogen hatte. In der Bundesrepublik hielt sich längere Zeit das Gerücht, Hahn habe das Atombombengeheimnis an die Alliiertenverraten. Später erinnerte Hahn sich gerne seiner Zeit in Alswede, wo die Wissenschaftler freundlich aufgenommen worden waren. Nach seiner Freilassung nahm Hahn seine wissenschaftliche Arbeit wieder auf und wurde zum ersten Präsidenten der in Göttingen neu gegründeten Max-Planck-Gesellschaft berufen.

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